Eine Geschichte in 2 Kapiteln
1801 – Ich bin soeben von einem Besuch bei meinem Hauswirt zurückgekehrt – dem einsamen und einzigen Nachbarn, mit dem ich zu tun haben werde. Wirklich, dies ist ein prächtiges Land! In ganz England, glaube ich, hätte ich keine andere Gegend gefunden, die so völlig dem Getriebe der Geselligkeit entrückt ist. Für den Misanthropen ein wahres Eden! Und Mr. Heathcliff und ich sind so recht ein passendes Paar, diese Einsamkeit miteinander zu teilen. Ein kapitaler Kerl! Wie argwöhnisch er die schwarzen Augen zusammenkniff, als ich bei ihm vorgeritten kam, und wie mißtrauisch er die Hände tiefer in die Jackentaschen bohrte, als ich meinen Namen nannte! Das gewann ihm gleich mein Herz, wovon er freilich nichts ahnen mochte.
»Mr. Heathcliff?« fragte ich.
Er nickte.
»Mr. Lockwood, Ihr neuer Mieter«, stellte ich mich vor. »Ich gebe mir die Ehre, mein Herr, Sie sobald als möglich nach meiner Ankunft aufzusuchen, um die Hoffnung auszusprechen, daß ich Sie in meinem beharrlichen Bemühen, Drosselkreuzhof als Wohnsitz zu erlangen, nicht etwa belästigt habe; ich hörte gestern, Sie hätten daran gedacht –«
»Drosselkreuzhof ist mein eigen«, unterbrach er mich ausweichend. »Würde niemandem erlauben, mich zu belästigen, soweit ich es verhindern könnte –. Treten Sie ein!«
Dieses Kapitel wurde von Emily Brontë geschrieben und am Dienstag, 24. April 2018, 17:59 Uhr veröffentlicht. Es enthält 200 Worte.
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Selbst das Tor, an dem er lehnte, ließ seinen Worten keine einladende Bewegung folgen. Und dieser Umstand, glaube ich, veranlaßte mich, der Aufforderung Folge zu leisten. Ich fühlte Interesse für einen Mann, der noch unzugänglicher zu sein schien, als ich selbst es war.
Als er sah, daß die Brust meines Pferdes sich gegen das Tor preßte, zog er eine Hand hervor und öffnete. Dann ging er mürrisch die Allee hinauf mir voran. Als wir den Hof betraten, rief er: »Josef, nimm Mr. Lockwoods Pferd und bring Wein herauf«.
Aha, da haben wir das gesamte Dienstpersonal, wie mir scheint, schloß ich aus diesem bündigen Auftrag. Kein Wunder, daß zwischen den Pflastersteinen Gras wächst, und daß nur das liebe Vieh für das Beschneiden der Hecken sorgt.
Josef war ein ältlicher, nein, ein alter Mann; sehr alt vielleicht, obschon stark und sehnig. »Gott helf uns!« murmelte er leise und sichtlich mißvergnügt, als er mir vom Pferde half. Dabei sah er mich mit so saurer Miene an, daß ich mitleidig vermutete, er bedürfe, um sein Mittagessen zu verdauen, tatsächlich göttlicher Hilfe und sein frommer Ausruf habe zu meiner unerwarteten Ankunft keine Beziehung.
Sturmheidhof heißt Mr. Heathcliffs Wohnort; der Name soll den atmosphärischen Tumult bezeichnen, dem dieser Ort bei stürmischem Wetter ausgesetzt ist. Reinen, stärkenden Luftzug müssen sie dort in der Tat haben. Man kann sich die Gewalt des um die Ecken des Gutshofs blasenden Nordwinds vorstellen, wenn man die schiefe, geduckte Haltung der paar verkümmerten Föhren, die hinter dem Hause stehen, betrachtet und die Reihe dürrer Dornbüsche, die alle ihre Glieder nach einer Richtung drehen, als erbettelten sie Almosen von der Sonne. Glücklicherweise hatte der Baumeister Voraussicht genug gehabt, ein festes Haus aufzurichten. Die schmalen Fenster sind tief in die Mauer eingelassen und die Hausecken sind mit gewaltigen Ecksteinen verteidigt.
Dieses Kapitel wurde von Emily Brontë geschrieben und am Dienstag, 24. April 2018, 16:07 Uhr veröffentlicht. Es enthält 314 Worte.