Eine Geschichte in 18 Kapiteln
Schreiben, Autor*innen und Co-Kreation

Co-Kreationen sind unter Autorinnen eine sehr umstrittene Sache. Während es zunehmend mehr erfolgreiche Bücher gibt, die von mehreren Autorinnen verfasst wurden, möchte die überwiegende Mehrheit der Schreibenden lieber selbst und alleine an einer ausgetüftelten Geschichte schreiben.

Stört eine zweite oder weitere Person den kreativen Schaffensprozess beim Schreiben? Dieser Frage will ich in ein paar Interviews nachgehen...

Dieses Kapitel wurde von Magnus geschrieben und am Freitag, 20. April 2018, 13:31 Uhr veröffentlicht. Es enthält 60 Worte.

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Irina Christmann hat mehrere Co-Kreationen in Arbeit und begann eine Diskussion auf Twitter über dieses Thema.

Als Teil des Nornennetzwerks und Autorin von Gay-Romance-Geschichten ist sie die erste Interview-Partnerin zum Thema Co-Kreation für mich. Vorab gleich ein herzliches Dankeschön für die Bereitschaft, mitzumachen.

Dieses Kapitel wurde von Magnus geschrieben und am Freitag, 20. April 2018, 11:53 Uhr veröffentlicht. Es enthält 43 Worte.

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Frage: Was war bei dir zuerst da: die Solo-Geschichte oder eine Co-Kreation?

Hast Du zuerst begonnen, selbst zu schreiben oder hast Du zum Schreiben gefunden durch eine Zusammenarbeit?

Dieses Kapitel wurde von Magnus geschrieben und am Freitag, 20. April 2018, 11:56 Uhr veröffentlicht. Es enthält 28 Worte.

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alleine angefangen <3

Irina: Wie wahrscheinlich alle, habe ich alleine angefangen. Auch ohne Betaleser oder sonstige Rücksprache, wie ich zugeben muss. Dafür ist die erste Geschichte aber gar nicht mal soooo schlecht gewesen. Man kann sie glaube ich sogar noch auf Bookrix lesen. Bin mir aber nicht sicher, ob ich das nicht doch gesperrt habe. Sollte ich glatt mal nachschauen lach Die Zusammenarbeit kam dann durch eine direkte Anfrage einer Kollegin ... die Sache ging dann leider schief und ich habe lange daran geknabbert. Aber dank einer anderen Kollegin habe ich wieder angefangen zu schreiben und auch wieder Spaß an Gemeinschaftsprojekten. Allerdings bin ich vorsichtiger geworden mit wem ich arbeite.

Frage: Wie kam die erste Anfrage zustande und um was ging es da?

Du sagst, dass dich eine Kollegin angesprochen hat. Wie kam sie auf dich? Wusste sie, dass du schreibst? Was hatte sie mit dir zusammen vor?

gleiches Genre und somit Zielgruppe

Irina: Wir hatten uns auf Bookrix "kennengelernt" und schrieben im gleichen Genre, von daher lag eine gemeinsame Geschichte nahe. Aus verschiedenen Gründen hat es mit uns nicht geklappt. Glücklicherweise hat es mich nicht für immer von gemeinsamen Sachen abgehalten und ich hoffe, dass es noch dieses Jahr, spätestens nächstes Jahr eine MM-Romance mit einer liebsten Schreibfreundin geben wird. Außerdem liebe ich es, zusammen mit anderen zu schreiben und deswegen habe ich auch mehrere gemeinsame Projekte neben den unzähligen eigenen.

Frage: Was heisst denn das "gemeinsam schreiben" für dich konkret?

Wie muss man sich das vorstellen? Sprecht ihr zusammen über eure Formulierungen und eine schreibt den Text dann auf? Sendet ihr euch Kapitelversionen zu? Wie geht das vonstatten?

unterschiedlich *grins*

Irina: Alles fängt natürlich mit der Idee an.

Mein derzeit größtes Projekt startete mit "Ich würde gerne was mit einem Rennfahrer schreiben" und schon legten wir los.

Bis jetzt hatte ich immer "kapitelweise" geschrieben, d. h. ein Kapitel der/die PartnerIn und eines von mir. Das hat den Vorteil, dass jeder sein Tempo gehen kann und nochmal überarbeiten kann, bevor der Partner "dran" ist. Und am Ende kann man sich so einen Art Hinweis geben, wie es weitergehen soll/könnte.

Über google.docs (sorry Werbung) kann man flexibler schreiben und auch Absatzweise abwechselnd schreiben, wenn z. B. beide am PC sitzen. Tatsächlich haben wir auch schon "simultan" geschrieben, was extrem witzig, aber auch anstrengend war. Für dieses spezielle Projekt passt es aber total. Besonders weil ich ziemlich chaotisch bin und auch mal gerne vergesse, was ich vor zwei Absätzen selbst geschrieben habe, da ist es dann gut, wenn es gleich jemandem auffällt.

Frage: Welcher Aspekt ist in dieser Zusammenarbeit für dich der Wichtigste?

Ist dieser gemeinsame Schreibprozess bei euch eher ein "einander lesen und dann darauf reagieren" oder sprecht ihr vor dem Schreiben schon viel über den entstehenden Text und eventuell die kommende Handlung?

beides

Irina: Es gibt - im besten Fall - einen groben Plot und ich weiß so ungefähr, was passieren sollte. Aber wie das immer so ist, haben Protas manchmal eigene Ideen und Wünsche und die versuchen wir ja auch zu erfüllen. Am Ende sollte dann aber wieder eine gemeinsame Richtung da sein, mit der die/der andere weiter arbeiten kann. Sitala und ich arbeiten mit kleinen Cliffhangern am Ende der Kapitel, damit der andere gleich einen Einstieg hat.

Man sollte einfach verschiedene Sachen ausprobieren, damit man weiß, was am besten für einen selbst funktioniert.

Zu viel Absprechen glaube ich schadet eher oder schränkt wenigstens eine Seite des Teams ein, weil man zu sklavisch an einen Plan gebunden ist. Keine AHnung ob das alle so sehen, aber für mich als Plantser ist ein zu konkreter Plan tödlich.

Frage: Wie teilt ihr euch die "Betreuung" eurer Protagonist*innen auf?

Du sagst, dass diese ab und an eigene Wünsche entwickeln. Dieser Teil der Schreibtätigkeit ist für mich bisher wirklich ein Rätsel, ich stelle es mir aber noch viel schwieriger vor, wenn eine Protagonistin plötzlich auch noch von einer Autorin zur nächsten überläuft. Wie regelt ihr das?

dazu muss ich weiter ausholen *lach*

Irina: Grundsätzlich gehört z. B. Prota A (nennen wir ihn mal Jonas) mir und Prota B (nennen wir ihn mal Sven) gehört meine/r Schreibpartner/in, dann forme ich seinen Charakter, seine Reaktionen, seine Eigenheiten. Natürlich bleibt es nicht aus, dass auch der andere ihn mal agieren und reagieren lassen muss, genau wie ich mal Sven fluchen, grinsen oder ins Kino gehen lasse. Bei Feinheiten frage ich nach, wenn ich nicht sicher bin, was Sven möchte. Genau wie ich anmerke, dass Jonas keinen Schinken mag, weil er Schweine so süß findet beispielsweise. Ich bin nicht empfindlich, was meine Charakter betrifft, und wenn es nötig ist, dass er sich blamiert, weil er damit letztendlich Pluspunkte sammelt, dann darf das gerne auch mein/e Partner/in schreiben. Klare Abgrenzung ist bei einem gemeinsame Projekt einfach nicht möglich, weil die Protagonisten ja auch zusammen auftreten müssen. Hilfreich sind Charakterbögen auf die beide zugreifen können.

Frage: Wie kommt so eine gemeinsam geschriebene Geschichte am Schluss an?

Wenn die Sache sich dem Abschluss nähert, werdet ihr mit der Reaktion von Lektorinnen oder Testleserinnen konfrontiert. Merken die Leserinnen, dass die Geschichte von mehreren Autorinnen stammen? Wie sehen da übliche Kritiken aus? Wie wird der Aspekt der Co-Kreation von eventuell „unwissenden“ Leserinnen empfunden?

doppelter Spaß

Irina: Ich teile das mal auf: Wie kommt so eine gemeinsam geschriebene Geschichte am Schluss an?

Ob eine Geschichte am Ende gefällt oder nicht, hängt ja nicht von der Anzahl der AutorInnen ab. Entweder man mag es, oder eben nicht.

Wenn die Sache sich dem Abschluss nähert, werdet ihr mit der Reaktion von Lektorinnen oder Testleserinnen konfrontiert.

Ich versuche es so zu handhaben, dass auch hier "gemischte Teams" mitarbeiten, sprich Beta-/Testleserinnen aus meinem Pool und welche aus dem der/des PartnerIn. Bei "meiner" Beta muss ich nicht mal sagen, was von mir stammt, sie erkennt es an meinem Schreibstil, von dem ich auch nach über vier Jahren noch nicht weiß, wie er sich eigentlich auszeichnet.

Merken die Leserinnen, dass die Geschichte von mehreren Autorinnen stammen? Wie sehen da übliche Kritiken aus? Wie wird der Aspekt der Co-Kreation von eventuell „unwissenden“ Leserinnen empfunden?

Da greift dann wieder die erste Antwort. Ich glaube der/dem LeserIn ist es erst mal egal, wie viele an der Story mitgeschrieben haben. Oder sie kennen die eine Hälfte des Duos und lesen es dann einfach ... da müsste man mal eine/n LeserIn fragen. Ich selbst - also mein Lese-Ich - entscheidet da nach Klappentext nicht nach Autor. Höchstens wenn ich mal ein Buch von der Person abgebrochen habe, überlege ich mir das nochmal. Die Kritiken sind, wie bei anderen Geschichten auch. Zumindest ich finde da keinen Unterschied, den ich benennen könnte. Wenn du magst, kann ich mal die zu meiner Gemeinschaftsproduktion raussuchen und dir zuschicken, da sie ja nicht mehr im Netz stehen.

Frage: Wenn du Ratschläge an andere Autor*innen formulieren dürftest, was würdest du ihnen raten?

Was sind die Dinge, die du weiter tragen möchtest oder die du gelernt hast und wichtig findest?

Reden :-)

Ich beziehe das jetzt mal auf die Gemeinschaftsarbeiten. Wie in so vielen Bereichen des Lebens ist reden einfach wichtig. Wenn Euch was komisch vorkommt, fragt nach, wenn ihr Euch nicht sicher seid, ob Euer Schreibpartner das gleiche Ziel vor Augen hat, redet darüber. Wenn ihr mit einer Szene nicht zufrieden seid, sagt es. Aber fragt Euch, wie würdet ihr Euch fühlen, wenn ihr den Kommentar lest, ohne das Gegenüber zu sehen! Versetzt Euch in die Lage Eures Schreibpartners, der vielleicht nach einem langen Tag noch schnell was runtergetippt hat, damit ihr weitermachen könnt. Schreibt nicht einfach "Find ich doof" oder "Gefällt mir so nicht" sondern begründet es, schlagt Alternativen vor. Wenn ihr eine Pause braucht, sagt es und akzeptiert, wenn Euer Partner eine braucht, oder mal nicht so viel Zeit hat für das gmeinsame projekt, weil einfach andere Sachen wichtiger sind. Jeder hat ein Privatleben, das immer vorgehen sollte.

Schreibt nicht mit Leuten, mit denen ihr privat nicht klarkommt, denn dann ist das Projekt m. E. direkt zum Scheitern verurteilt. Aber bleibt immer offen für Projekte, die erst auf den zweiten Blick spannend zu sein scheinen, manchmal sind genau die, die besten, die ihr je geschrieben habt :-) Und traut Euch auf mal auf unbekanntes Terrain, aber sagt auch ganz ehrlich, wenn ihr Euch nicht wohl fühlt.

Das klingt jetzt, als hätte ich voll die Ahnung lach aber vielleicht hilft es ja wirklich jemandem <3

skribi: Ausführliches Reden als Essenz fürs Gemeinsam-Schreiben, vielen Dank! Eine letzte Frage...

...habe ich noch, denn ich würde die Perspektive gerne am Schluss einmal umdrehen.

Frage: Welche Frage würdest du mir in den Mund legen wollen, weil ich sie dich bisher nicht gefragt habe?

schwierig <3

Eigentich bietet sich ja an: Mit wem würdest du gerne schreiben, wenn du die Wahl hättest? Allerdings hab ich "meine Mädels" vom Nornennetz mal gefragt und da kamen auch interessante Sachen raus: Leonie fragte: Mich würde interessieren bis zu welchem Grad man Kompromisse eingehen kann, ob man in gemeinsamen Treffen miteinander schreibt oder ob gemeinsames schreiben tendenziell länger dauert als allein? Vielleicht auch welche Verlage gemeinsame Projekte verlegen? Im Allgemeinen eher Kleinere oder Publikumsverlage? Und June meinte, ob es eine Art TÜV gebe, der dann nachschaut ob alles passt! Such dir also gerne eine aus :-)