Eine Geschichte in 3 Kapiteln
Als die Mikrowelle piepte, schossen die Fremden die Wohnungstür ein. Mark schluckte die halb zerkaute Pizza herunter und kam in den Flur.
»He, das dürft ihr nicht!«, rief er, als sei er nicht in Gefahr.
»Mark Schmidt, geboren am 04. Juni 1988 in Zaunwipfel?«
Ehe er antworten konnte, hielt der Zweite ein Foto neben sein Gesicht. »Das ist er.«
Sie hakten sich bei ihm unter und hoben ihn hoch. Obwohl er zappelte und schrie wie am Spieß, trugen sie ihn auf die Straße. »Ihr könnt mich nicht einfach entführen, die Nachbarn werden das sehen. Hilfe!« Niemand war zu sehen, nicht einmal Minna, die sonst bei jedem Wetter in ihrem Garten arbeitete. »Die Haustür werdet ihr mir bezahlen müssen, ich kenne meine Rechte!«
»Die Tür war sowieso schon morsch.«
»Antik!«
Sie warfen ihn auf den Rücksitz des dunkelblauen BMWs. Mark rappelte sich hoch und wollte fliehen, doch die Tür war verschlossen. Der Fahrerraum war mit einem Gitter abgetrennt.
»Achmed, ist dein Anzug neu?«, fragte der Beifahrer. »Sieht schmuck aus.«
»Jap. Hat Sissi ausgesucht.« Er startete den Wagen.
»Was wollt ihr von mir? Wohin bringt ihr mich? Warum macht ihr das? Wohin zur Hölle bringt ihr mich? Hallo, hört ihr mich?«
»Wir hätten statt des Gitters eine Wand einziehen sollen«, murrte der Beifahrer, spuckte auf ein Taschentuch und putzte sich seinen Schuh.
Achmed schaute in den Rückspiegel nach Mark. »Magst du Hip-Hop?«
Mark fiel ein Hund auf, der an eine Gartenhecke pinkelte. Das Bein ragte unbeweglich in der Luft, das Ohr flog im Wind, aber ... es bewegte sich nicht. Das Tier war wie versteinert.
»Hip-Hop?«, fragte Mark und presste seine Nase an die Fensterscheibe, um den Hund noch länger sehen zu können.
»Ich hab ein neues Lied entdeckt, dass ich ständig in Dauerschleife hören muss.« Er drückte einen Knopf und sang mit: »That’s my little bitch, that’s my little bitch.«
Minna stand am Straßenrand und hielt eine Papiertüte in beiden Armen, deren Boden gerissen war. Ein Apfel hing zwischen ihr und dem Asphalt in der Luft fest.
»Frank!«
»Was?«
»Du hast die Zeit vergessen.«
»Oh, shit.«
Mark konnte nicht sehen, ob er etwas Bestimmtes tat, doch Minnas Apfel zerplatzte, der Tüteninhalt ergoss sich über der Straße und Minna sah das Unglück und schimpfte. Hatten die beiden Männer die Zeit angehalten? Zum ersten Mal seit der Entführung hatte Mark ein mulmiges Gefühl. Achmed und Frank nickten sich zu und sangen: »That’s my little bitch, that’s my little bitch.« Sie lachten.
»Ich will sofort wissen, wohin ihr mich bringt! Sagt es mir!«
Überrascht schauten sich die Entführer an. »Wir fahren zu Edna. Dachte, du wüsstest das«, sagte Frank. »Wegen der Information, die du über das Universum hast.«
»Universum? Edna? Wovon redest du?«
Achmed verdrehte die Augen. »Jo, wir verstehen, dass die Info geheim ist. Trotzdem wissen wir, dass du eine hast und was los ist. Wir sind keine dummen Handlanger, alles klar?« Er drehte die Musik lauter.
Mark ließ sich nach hinten in den Sitz fallen. Was zur Hölle hatte er mit dem Universum zu tun? Da hob das Auto ab und ließ die Häuser unter sich.
»Frank, das Unsichtbarkeitsschild!«
»Stimmt, hab ich vergessen.«
Achmed stöhnte genervt auf.
Dieses Kapitel wurde von Magret Kindermann geschrieben und am Donnerstag, 19. April 2018, 12:29 Uhr veröffentlicht. Es enthält 529 Worte.
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Er verlor das Gleichgewicht, als seine Schulter den Kontakt zur Fensterscheibe verlor und rutschte unsanft und mit einem überraschten Aufschrei aus dem Wagen. Noch ehe er aber ganz auf dem Boden aufschlagen konnte, waren da auf einmal Franks massive Hände, die sich um Marks Oberarm schlossen und ihn wieder in die Vertikale schoben. "Na, na", sagte er und packte ihn stattdessen am Hemdkragen. Erst jetzt fiel Mark auf, wie dunkel es eigentlich war. Und wie still. Wo war überhaupt Achmed? "Achmed ist schon mal vor, den Papierkram für dich erledingen und alles", fuhr Frank fort, als hätte er Marks Gedanken gelesen, und zog ihn aus dem Wagen. Einen Moment lang hing Mark in einer Umarmungs-Wolke aus Moschus, extraweicher Baumwolle und kratzigen Bartstoppeln, dann fanden seine Füße den Boden wieder und er atmete erleichtert auf. Nur dass unter seinen Füßen kein Boden war. Mark stieß einen markerschütternden Schrei aus, die Beine knickten erschrocken unter seinem Körper weg, doch statt zu fallen, schlug er einfach auf und stieß sich ganz ordinär das Knie. "Du stellst dich ja an wie der erste Mensch", murrte Frank genervt und riss ihn wieder auf die Beine. Doch Marks Blick klebte starr auf dem Universum. Denn es war das Universum, das sich unter seinen Füßen ausbreitete, mit bunten, träge wirbelnden Galaxien und tanzenden Nebeln; mit abertausenden flackernden Sternen und Planeten, die sich stetig drehten um einen unsichtbaren Mittelpunkt. Es sah aus wie in einer dieser Simulationen oder wie im Film, wenn man durch das Teleskop plötzlich die ganze Welt - nein, nicht die Welt, sondern alles, was sie umschloss - sehen konnte. "Na komm, Edna wartet." Frank tippte nervös und von der Umgebung völlig unbeeindruckt mit dem Schuh auf die unsichtbare Grenze, die ihn und Mark von der Unendlichkeit trennte. "Edna hasst es, zu warten." Doch Mark reagierte noch immer nicht. Mit einem tiefen Seufzen packte Frank ihn schließlich um die Hüfte und warf ihn sich mit einem Ruck über die Schulter, sodass die Sterne plötzlich kopfüber standen. "Ich sagte doch, wir haben es eilig", brummte er, während Mark ein überraschter Laut entfuhr. Mit schweren Schritten trug Frank den jungen Mann davon.
Dieses Kapitel wurde von M. D. Grand geschrieben und am Montag, 25. Juni 2018, 16:31 Uhr veröffentlicht. Es enthält 379 Worte.
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Das Ganze erinnerte ein bisschen an eine Vogelscheuche, nur dass sie eben leuchtete. Besser gesagt luminierte. Und sie schwebte über einem Tisch.
Vor dem Tisch sass ein Mädchen im Dunkeln und lauschte den sphärischen Klängen, die unablässig im Raum hin und her waberten. Sie schien hochkonzentriert, bewegte sich nicht und fixierte die luminierende Gestalt, die ihr Mondgesicht in verschiedene Grimassen zog.
Man hätte meinen können, dass sie sprach, aber es drang kein Ton aus ihrem angedeuteten Mund, der mal über die gesamte Gesichtskugel von links nach rechts reichte, mal einem kleinen dunklen Loch in der Mitte glich. Nur Sphärenklänge...
„Hat Eure Exzellenz auch die bikubischen Koeffizienten befragt?“
sagte das Mädchen plötzlich mit einer festen und klaren und doch sanften Stimme.
„Es wäre nicht das erste Mal, dass Gleichungen nicht aufgehen, weil wir irgendwelche Parameter übersehen oder nicht korrekt bestimmt haben.“
Sphärenklänge. Und wieder langsame Grimassen, die über das Mondgesicht huschten. Es war, als würde das Licht der Gestalt ein wenig ins Orange tendieren, als wären die Klänge eine Spur klirrend, als leuchtete der Vorhang ein kleines bisschen heller als vorher. Die Zeit verging.
„Wir haben zwar den fraglichen Menschen aufgetrieben und es sieht so aus, als würde er über wichtige Informationen verfügen, aber es könnte sein, dass es sich länger als vorgesehen hinzieht. Der Mensch macht den Anschein, als wisse er nicht bewusst, was wir von ihm wollen. Wir müssen ihn also einer Behandlung unterziehen.“ Das Mädchen machte eine kurze Pause.
„Eure Exzellenz weiss um die Resultate der letzten Behandlung, nehme ich an?“
Sphärenklänge.
„Sie ging anders aus, als gewünscht. Bei Menschen ist diese Art der Behandlung sehr wenig erforscht und kann auch leicht ins Gegenteil umschlagen. Wir müssen in sein Unterbewusstsein eindringen...“
Nach einer weiteren Weile voller Klänge und der unbeweglichen Konzentration des Mädchens hob sie die Hand und langsam verlosch die leuchtende, bevorhangte Bohnenstange mit dem kugelrunden Gesicht und löste sich in feinen Dunst auf.
Der Raum wurde finster.
Dieses Kapitel wurde von Magnus geschrieben und am Mittwoch, 27. Juni 2018, 20:43 Uhr veröffentlicht. Es enthält 337 Worte.