Eine Geschichte in 12 Kapiteln

Kapitel 11 - In dem neue Zeichen entziffert werden

Luisa hörte die Jungs neben sich flüstern noch bevor sie die Augen aufschlug.
“Warum flüstert ihr?”, fragte sie und setzte sich auf. Mit einem Mal fiel ihr die unbekannte Umgebung auf und sie realisierte, dass sie tatsächlich zusammen mit Song in einer Traumwelt gelandet waren!

Diese Welt hier ähnelte keiner der beiden vorhergehenden. Sie befanden sich mitten auf einer Lichtung. Um sie herum standen die verschiedensten Bäume. Sogar welche mit Lianen. Solche hatte sie bisher nur im Amazonashaus im Zoo gesehen. Es sah wirklich so aus, wie man sich eine Dschungel-Landschaft vorstellte. Aber irgendetwas passte nicht. Luisa konnte nicht sagen was... Sie wandte sich den beiden Jungs zu und flüsterte nun auch: “Was ist los? Wo sind wir gelandet? Irgendwas ist doch komisch hier, oder?”

“Scheinbar sind wir in einer Art Wald gelandet, aber was unheimlich ist, ist diese Stille”, flüsterte Simon zurück. Jetzt fiel es auch Luisa auf. Es war tatsächlich mucksmäuschenstill. In einem Wald würde man ja eigentlich die verschiedensten Tierlaute erwarten oder wenigstens Vogelzwitschern und Pfeifen. Die Stille hier war es, die komisch und befremdlich war. Fast so, als würde sich kein Tier trauen, einen Laut zu geben.

“Haben wir einen Hinweis, was wir hier sollen?”, raunte Luisa fragend in die Runde. Song machte einen angespannten Eindruck. Er schien überwältigt von der Tatsache, dass sie sich tatsächlich zusammen in einem Traum wiederfanden.

“Glaubst du uns jetzt?” stupste ihn Luisa fragend an.
“Voll krass! Ähhh... wie funktioniert das hier...?”, stammelte er verunsichert.
“Wir sind auch keine Experten. Aber bei den letzten Malen hatten wir den Eindruck, dass wir eine Aufgabe haben und hatten dann das Rätsel entdeckt”, beruhigte ihn Luisa. Währendessen drehte sich Simon einmal im Kreis und schaute sich um.
“Hmm... diesmal haben wir nur deinen Rucksack dabei”, überlegte er.
“Keine Jacke, in der ein Zettel mit einem Hinweis sein könnte?” Wie auf ein Stichwort langten alle drei in ihre Hosentaschen und fanden - nichts.

Luisa durchsuchte zur Sicherheit noch ihren Rucksack. Auch hier war neben einer Trinkflasche und einer Vesperdose nur das Übliche drin. Das eben, was sie sonst so mit sich herumtrug.
“Wenn wir nichts bei uns tragen, was als Hinweis dienen könnte... vielleicht ist ja um uns herum ein Hinweis”, sinnierte Simon weiter. Nun erwachte auch Song wieder zum Leben und schaute sich um.
“Eigentlich erinnert mich diese Art Landschaft an meine Heimat in Vietnam”, sagte er zu den anderen zwei.
“Echt?”, erwiderte Luisa darauf und versuchte sich Song und seine Familie in einer ähnlichen Umgebung vorzustellen. Sie fand andere Länder und Kulturen total spannend und würde am liebsten einmal auf Weltreise gehen.

“Schaut mal, ob euch irgendwas hier auffällt”, warf Simon in die Runde und holte Luisas abschweifende Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. Da zeigte Song auf einen Baumstumpf am Rande der Lichtung und meinte: “Kommt euch der Baumstumpf da hinten auch etwas unförmig vor? Der sticht ein bisschen raus, oder? So, als würde er gar nicht hierher gehören.”

Luisa und Simon liefen beherzt Richtung besagtem unförmigem Baumstumpf. Je näher sie kamen, desto mehr bemerkten auch sie, was Song meinte. Aus der Nähe betrachtet, hatte der Baumstumpf einen um ein Vielfaches größeren Umfang, als die Bäume rundherum. Die Oberkante des Stumpfes war auch sehr scharf, wie wenn der ursprüngliche Baum abgesägt worden wäre.

Plötzlich stellte sich bei Luisa dieses seltsame Gefühl wieder ein, das sie aus den letzten Traumwelten kannte. Sie wollte Song aber nicht weiter verunsichern, jetzt, wo er aufzutauen schien, und meinte: “Mein Bauchgefühl sagt, dass wir uns den Baumstumpf näher anschauen sollten.” Simon zog eine Augenbraue hoch und schaute sie fragend an. Sie nickte ihm zu und er schien ihre Absicht zu verstehen. Am Baumstumpf angekommen, wischte Luisa das Laub, das obenauf lag, mit weit ausholenden Armbewegungen weg. Und siehe da! Auf dem Baumstumpf war etwas eingeritzt.

Mit vereinten Kräften wischten sie auch die restliche Oberfläche des Baumstumpfes frei. Simon und Luisa erkannten dabei Teile des Rätsel wieder, das sie schon in der letzten Traumwelt auf dem Fels gesehen hatten. Bloss war es dieses Mal in das Holz eingeritzt, statt in den Felsen. Kleine, regelmässige, schwarze Einkerbungen, die ein Muster bildeten. Umrahmt von einer weiteren Reihe an Symbolen stand - ganz genau wie beim letzten Mal - in der Mitte des Steins in verschnörkelter Schrift der Satz:

Finde das unsichtbare, aber dennoch unbezahlbar wertvolle Gut, welches es nicht zu kaufen gibt.
Die Steine der Weisheit aus den Welten zeigen den Weg zum Ausgang.

“Das ist es, Song! Das Rätsel, das wir auf dem Felsen letztens gesehen haben! Genau so sah es auf dem Felsen auch aus”, rief Luisa aus.
“Siehst du diese Schriftzeichen in den Ecken? Die meinte ich... die sehen doch deinen vietnamesischen Zeichen ähnlich, oder? Kannst du was entziffern?”, fügte Simon hinzu.

Song kniff die Augen zusammen, als er scharf nachdachte und versuchte, sich an die vielen Zeichen zu erinnern, die ihm sein Großvater im letzten Jahr beigebracht hatte. Sein Großvater war immer schon von Sprachen begeistert gewesen. In Vietnam hatte er sogar eine Zeit lang Literatur an der Uni unterrichtet. Daher konnte er die alt-vietnamesische Sprache gut entziffern. Song hatte die Schriftzeichen immer so cool gefunden und seinen Großvater gebeten, ihm die Symbole für seine Lieblingstiere beizubringen. Inzwischen setzte sich sein Großvater einmal in der Woche mit ihm hin und Stück für Stück brachte er ihm Sprache und Schriftzeichen bei.

Schliesslich sagte Song auf die jeweiligen Zeichen deutend: “Dieses Zeichen hier bedeutet ‘Drache’ und das hier ist das Zeichen für ‘Wasser’. Bei diesem Zeichen hier in der rechten oberen Ecke bin ich mir nicht ganz sicher... aber ich glaube, es bedeutet ‘Tapferkeit’ oder ‘Mut’ oder sowas in der Richtung. Das da in der linken unteren Ecke kenne ich nicht. Da hat es auch noch ein paar andere Zeichen, die sehen aber überhaupt nicht nach vietnamesisch aus.”

“Wow... das ist ja der Hammer, Song! Du bist genial!”, freute sich Simon aufgeregt. Sie schauten sich die Inschrift auf dem Baumstumpf noch eine ganze Weile konzentriert an und konnten nichts mehr weiter entziffern oder deuten.
“Hmm... Wir haben: ‘Wasser’, ‘Tapferkeit’ oder ‘Mut’ und ‘Drache’... was soll das nun bedeuten?”, überlegte Simon laut und fasste sich nachdenklich ans Ohr. Luisa war ratlos. Ihr fiel absolut nichts ein, was sie aus diesen zusammengewürfelten Wörtern Sinnvolles heraus lesen sollten.

Plötzlich hielt Song inne.
“Seid mal ganz still!”, meinte er.
“Hört ihr das auch ?” Luisa schüttelte den Kopf... da war nichts. Nur diese unheimliche Stille, die sie wegen dem Fund des Rätsels auf dem Baumstamm kurz vergessen hatten. Auch Simon schaute Song fragend an: “Ich höre auch nichts! Was hörst du denn?”

“Na... dieses ganz leise Rauschen weit im Hintergrund”, erwiderte Song. Luisa und Simon spitzten nochmals die Ohren.
“Jetzt wo du’s sagst, hör’ ich glaub’ auch was... sowas wie ein feines Rauschen in dieser Stille... wie beim Funkempfang oder in den alten Radios”, murmelte Simon. Jetzt meinte auch Luisa zu verstehen, was Song hören konnte. Das Rauschen war wirklich sehr leise. Die Quelle des Geräuschs musste sehr weit weg sein.

Plötzlich hatte sie eine Idee!
“Rauschen... im Hintergrund... sagt mal, kann das nicht irgendwo ein Fluss oder Bach sein!? Würde zu dem Hinweis ‘Wasser’ im Rätsel passen!”, warf sie triumphierend ein.
“Ja, das könnte sein”, stimmte ihr Song zu. Auch Simon nickte.

“Dann lasst uns doch nach diesem Wasser suchen! Unterwegs halten wir am besten auch Ausschau nach etwas, das nach einem Drachen aussieht. Vielleicht gibt es ja einen Fels oder einen Baum oder was anderes, das so aussieht und wir finden dort noch ein paar Hinweise ...”, schlug Luisa vor.

So stampften die drei durch den Urwald und suchten sich einen Weg durch die unberührte Landschaft. Sie versuchten sich dabei vom Rauschen des vermeintlichen Wassers leiten zu lassen. Tatsächlich wurde das Rauschen nach einer Weile lauter! Jetzt war es deutlich einfacher, dem Geräusch zu folgen. Nach einer Dreiviertelstunde Marsch standen sie vor einem breiten Fluss. Es gab nichts, was ihnen eine Überquerung ermöglichen würde, ohne nass zu werden. Daher beschlossen sie, am Ufer entlang flußaufwärts zu gehen.

Das Rauschen des Wassers begleitete ihren Weg.


Erstaunlich. Diese Zeichen scheinen nicht allen Menschen geläufig zu sein. Auch dieser neue Junge Song hat nur ein paar davon entziffern können. Wie unwissend diese Menschen doch sind!

Ich brauche also noch mehr Kinder in diesem Buch, um frei zu kommen. Die Drei sollen Hilfe holen, um die anderen Zeichen des Rätsels zu entschlüsseln!

Was kann ich tun? Diese Kinder haben doch bestimmt Freunde. Die sollen mithelfen, ich muss sie nur erreichen können. Aber wie? Hmm...

Ja, das könnte klappen. Ein Traum könnte den Weg weisen. Ich werde es versuchen müssen.

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