Kapitel 08 - In dem scharf gegessen und fremde Schriften geschrieben werden

Mit einem Mal war Simon wach.

Er erinnerte sich an die beiden Männer, an den Stein und daran, dass Lusia ihn in ihrer Hand gefunden hatte, als sie am Morgen sehr früh und jeder mit einer Hand auf dem Buch aufgewacht waren. Im Traum war der Stein groß wie ein Handteller gewesen. In echt war er enttäuschend winzig. Sie hatten ihn in eine kleine Dose getan und bei Luisa im Kinderzimmerschrank versteckt.

Simon war plötzlich klar, dass sie in einer Sache steckten, in der Vieles im Ungewissen war. Irgendwie hatte er den Eindruck, dass sie gut weitere Hilfe gebrauchen könnten. Das Abenteuer mit Luisa und dem Buch war gerade nochmals gut ausgegangen. Sie hatten sogar Erfolg gehabt, aber war da nicht mehr? Luisa hatte Recht, es steckte viel mehr in der Sache, als sie bisher herausgefunden hatten. Vor allem irritierte ihn diese Fremdartigkeit.

Ihm fiel ein, dass viele kleine Details des Buches und des Erlebten sich irgendwie komisch angefühlt hatten. Wie wenn es nicht von dieser Welt war. Dass da etwas war, was er und Luisa bisher nicht kannten. Die beiden Männer sahen anders aus, der Berg und die Umgebung kam ihm anders vor. Nichts ähnelte dem, was er hier in seiner Heimat schon mal gesehen hatte. Er überlegte fieberhaft. Was könnte Ihnen eine Hilfe sein, um hinter diese Ungereimtheiten zu kommen?

“Simon, dein Ranzen fehlt noch!”, rief seine Mutter durch den Flur. Mist, hätte er vor lauter Turnbeutel suchen doch glatt vergessen, den Ranzen mitzunehmen. Er schnappte das Ding im Vorbeifliegen, als er drei Stufen auf einmal die Treppe runtersprang und schwang sich den Ranzen auf den Rücken. Kurz neben der Haustüre stand Song, sein Kumpel aus der Klasse, mit dem er morgens meistens den Schulweg zusammen mit dem Roller fuhr.
“Hab deinen Roller mitgebracht, du hast ihn vorgestern bei mir stehen lassen”, grinste Song ihn an.
“Krass, Song, danke. Hab ich total vergessen! Lass uns reinhauen, wir sind spät.” Und ab ging es.

Song war echt ein guter Kumpel. Er war total zuverlässig und hatte Simon schon öfters mal gerettet, weil er wieder etwas vergessen hatte. Geodreieck in Mathe, Hausaufgaben in Sachkunde, die Turnhose aus der Umkleide, Rollerschloss, was auch immer. Irgendwie hatte Song einen siebten Sinn und packte die Sachen ein, die Simon vergaß. Mehr als einmal war das echt die Rettung gewesen: sein Freund Song und sein Sachen-Speicher.

“Simon, was machst’n heute nach der Schule?”, fragte Song nebenher. Sie rasten den schmalen Weg hinunter und wer zuerst vor der Straße bremste, hatte verloren. Also, am Schluss voll auf die Bremse steigen.
“Hm, weiß noch nich. Hast du ‘nen Vorschlag?”, gab Simon zurück, als sie mit heißen Reifen an der Straße standen und die Autos vorbeiziehen ließen.
“Bei uns gibt’s Banh Xeo, hast du Lust?”

Songs Familie kam aus Vietnam. Er hatte viele Geschwister und seine Eltern arbeiteten fast immer. Weil Song der Älteste war und weil seine Mutter mittags nie rechtzeitig Schluss machen konnte, hatte Song schon in der Grundschule begonnen, für die Geschwister Mittagessen zu kochen. Das war in seiner Familie total selbstverständlich. Jedes Kind hatte seine feste Aufgabe und musste sich darum kümmern, etwas für die Familie zu tun. “Irgendwie sind sie das gewohnt, gehört wohl zu ihrer Kultur”, dachte Simon und etwas klingelte in seinem Hinterkopf. Leider zu leise.


In der großen Pause saßen sie zusammen draußen und mampften ihr Vesper. Song hatte lustige kleine Teigtäschchen dabei, die er auf einmal in den Mund steckte.
“Was ist das?”, fragte Noushin, die sich auch zu ihnen gesetzt hatte.
“Nichtf befonderef, nur fo gedämpftef Gemüfe”, entgegnete Song undeutlich, weil der Mund so voll war.
“Darf ich mal probieren?”, fragte Noushin interessiert.
“Oh, lieber nicht, die sind ziemlich scharf”, meinte Simon, denn er wusste, dass Songs Familie gerne scharf aß. Als er vor einiger Zeit schon einmal bei ihnen zum Essen eingeladen war, hatten sie für ihn ‘extra ohne’ gekocht und es war trotzdem so scharf gewesen, dass er heiß und schwitzig geworden war. Und der Mund hatte gebrannt!

“Erzähl mir nix von scharf!”, lachte Noushin.
“Mein Papa zieht Chilischoten auf dem Balkon für unser eigenes Harissa.”
Song und Simon schauten verständnislos.
“Das ist eine spezielle Chillipaste zum Essen. Schmeckt super zu Lamm”, erklärte sie.

Simons Blick fiel auf ihre Vesperdose. Sie war über und über verziert und hatte kleine regelmäßige schwarze Striche, die am Rand ein Muster bildeten. Irgendetwas klingelte schon wieder in seinem Hinterkopf. Nur, wenn man Hunger hat und noch Brot übrig war und gleich die Pausenglocke läuten würde, dann hatte man keine Aufmerksamkeit für die kleinen Glöckchen im eigenen Hinterkopf.

Luisa kam vorbei. Ein spezieller Handschlag und ein tiefer Blick in die Augen und ein hochgezogener Mundwinkel. Sofort waren sie für ein paar Augenblicke wieder bei ihrem gemeinsamen Abenteuer von vorletzter Nacht.
“Ich muss dir was erzählen. Ich hab nachgedacht. Wir brauchen Hilfe”, raunte er Luisa zu. Sie sah ihn an, kniff erst die Augenbrauen zusammen und wollte gerade den Kopf schütteln. Dann überlegte sie es sich anders und zischte “Lass uns auf jeden Fall nichts verraten! Niemandem!”

Geschichte war mal wieder unglaublich langweilig. Irgendwelche Könige in irgendeinem Mittelalter und wann die gegen irgendwelche anderen Könige gekämpft hatten. Mehr als 500 Jahre war das nun her und er fragte sich immer, wen das heute noch interessierte. Er schlief fast ein.

Song krakelte irgendwas auf ein Blatt während er seinen Kopf auf die Hand stützte. Komische Zeichen. Wie der immer auf sowas kommt? Als er das Zeichen genauer betrachtete - das Mittelalter konnte ihm gestohlen bleiben - klingelte es plötzlich ganz laut in seinem Hinterkopf.

“Was machst du da? Was sind das für Bilder?”, flüsterte er vorsichtig zu Song hinüber.
“Hä? Das sind kein Bilder, das ist vietnamesisch”, flüsterte Song zurück.

Plötzlich machte es ‘Klack’ in seinem Kopf: Die Lösung!
Song war mal wieder seine Rettung.

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